Krananlagen: Schulungs‑ & Kompetenzstrategie
Facility Management: Krananlagen » Strategie » Asset‑Management‑Strategie » Schulungs‑ & Kompetenzstrategie
Schulungs- und Kompetenzstrategie
Anders als viele andere technische Arbeitsmittel verbinden Krane eine hohe energietechnische Potenz mit unmittelbarer Nähe zu Personen, Anlagen und wertvollen Gütern. Fehlbedienungen, technische Defekte oder unzureichende Organisation können schnell zu schweren Unfällen, Betriebsunterbrechungen und Rechtsfolgen führen. Der sichere, regelkonforme und effiziente Betrieb ist daher eine Kernaufgabe des FM – mit unmittelbarer Wirkung auf Sicherheit, Verfügbarkeit, Kosten und Reputation.
In zahlreichen Organisationen zeigt sich ein wiederkehrendes Muster: heterogene Kranflotten mit unterschiedlichen Bauarten und Lebenszyklen, historisch gewachsene Verantwortlichkeiten, fragmentierte Prozesse zwischen Betrieb, Instandhaltung, Arbeitssicherheit und Einkauf sowie uneinheitliche Qualifikationsniveaus des Personals. Hinzu kommen komplexe Rechts- und Normenlandschaften mit unterschiedlichen Anwendungsbereichen, steigende Einbindung von Fremdfirmen und temporären Projekten (Turnarounds, Umbauten), digitale Brüche zwischen Schulung, Autorisierung, Einsatz, Mängelmanagement und Prüfverwaltung, wachsende Anforderungen an Nachweisführung, Auditierbarkeit und transparente KPIs, besondere Betriebsbedingungen (Ex-Zonen, Außenbereiche, beengte Räume, Nähe zu Hochspannung) und alternde Anlagen, Retrofit-Bedarf und Variantenvielfalt der Lastaufnahmemittel.
Diese Gemengelage erzeugt ein erhöhtes Risiko für Regelverstöße, Doppelarbeit, ineffiziente Prüfzyklen und Sicherheitslücken – insbesondere bei atypischen oder kritischen Hubs (z. B. Tandemhübe, Heben über Personen, Vakuum- und Magnetheber). Gefragt ist daher ein konsistentes, FM-integriertes System aus Rollen, Kompetenzen, Prozessen, Technik und Daten.
Schulungs- und Kompetenzstrategie systematisch gestalten
- Sicherheitsanforderungen
- Zielsetzung
- Organisatorische Strukturen
- Rollenprofile
- Rollenprofil Anschläger/in
- Rollenprofil Einweiser
- Befähigte Prüfperson
- Aufsichtführende
- Arbeitsmittelverantwortliche
- Abgrenzung
- Qualifikation
- RACI-Modell
- Sicherer Betriebsablauf
- Lebenszyklus-Schnittstellen
- Vorfallmanagement
- Systematische Kompetenzen
- Operative Rollenkompetenz
- Erfahrungskriterien
- Rollenbezogene Kompetenzstufen
- Medizinische Eignung
- Erstqualifizierung
- Rezertifizierungszyklen
- Betriebsberechtigung
- Freigabeprozesse
- Sperrmechanismen
- Governance
- Zusammenführung
Sicherheitsanforderungen und regulatorischer Kontext
Der sichere Einsatz von Krananlagen ist rechtlich, normativ und organisatorisch klar gerahmt.
Im Zentrum stehen insbesondere:
das Arbeitsschutz- und Betriebssicherheitsrecht (ArbSchG, BetrSichV) mit Gefährdungsbeurteilung, Prüfpflichten, Dokumentation und Betreiberverantwortung,
Technische Regeln für Betriebssicherheit (u. a. TRBS 1111, 1201, 1203) zur Ausgestaltung von Beurteilungen, wiederkehrenden Prüfungen und Befähigungen,
die einschlägigen DGUV-Vorschriften, -Regeln und -Informationen (u. a. zu sicherem Betrieb, Rollen und Qualifikationen),
europäische und internationale Normen (z. B. EN 15011, EN 13001, EN 13155, DIN EN 1492/EN 818/EN 12385; ISO 9927, 12480, 23814), die Anforderungen an Konstruktion, Betrieb, Prüfung und Personal konkretisieren.
Recht und Norm setzen den Rahmen; gelebte Sicherheit entsteht jedoch erst durch wirksame Organisation: klare Rollen und Autoritäten, nachweislich befähigte Personen, geeignete Arbeitsmittel, vollständige und aktuelle Dokumentation, lernende Prozesse und eine Sicherheitskultur, die kritische Hubs bewusst plant und steuert.
Zielsetzung der Schulungs- und Kompetenzstrategie
Zentrales Anliegen dieses Dokuments ist es, eine belastbare, rollenbasierte Schulungs- und Kompetenzstrategie für den Kranbetrieb im industriellen FM zu definieren.
Sie soll:
Anforderungen an Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen je Rolle beschreiben (Kranführer, Anschläger, Einweiser/Banksman, befähigte Person, Aufsichtführende/Verantwortliche, Betreiber),
einen Qualifizierungspfad von der Erstqualifizierung über Praxisnachweise bis zu Rezertifizierung und Auffrischung festlegen,
medizinische Eignungen, Prüf- und Beurteilungsformate sowie Anerkennung externer Qualifikationen systematisieren,
den Autorisierungsprozess (Betriebsberechtigungsausweis, digital/QR) mit Freigabe- und Sperrmechanismen an Qualifikations- und Prüfstatus koppeln,
kritische Hubs über verbindliche Hubpläne, Permit-to-Work-Mechanismen und klare Gating-Kriterien abdecken,
die Schnittstelle zu Fremdfirmen über Contractor-Control-Module (Qualifikationsnachweise, Lifting-Pläne, Ausrüstungsfreigaben) absichern,
und die End-to-End-Verknüpfung mit FM-Systemen (CAFM/CMMS, LMS, digitale Prüfbücher) gewährleisten.
Organisatorische Strukturen: Rollen und Verantwortlichkeiten
Klare Rollen, eindeutige Verantwortlichkeiten und robuste Schnittstellen sind die tragenden Säulen sicherer und effizienter Hebe- und Kranprozesse im Facility-Management (FM). Sie verhindern Kompetenzlücken, minimieren Fehlinterpretationen im Betrieb, strukturieren die Prüf- und Instandhaltungsorganisation und sichern die Nachweisführung gegenüber Aufsichtsbehörden und Unfallversicherungsträgern. Das folgende Kapitel definiert die zentralen Rollen, grenzt Aufgaben und Befugnisse ab, beschreibt die operative Zusammenarbeit und ordnet die Rollen in ein RACI-Modell für Schlüsselprozesse ein.
Kranführer/in
Definition: Person, die das Hebezeug/Kran führt und die Bewegungen der Last steuert.
Kernaufgaben: Bedienung des Krans nach Arbeitsfreigabe und gültigem Hubplan; Funktions- und Sichtprüfung vor Einsatz.
Umsetzung der Signale des Einweisers/Banksman; Abbruch des Hubes bei Gefahr oder unklaren Anweisungen.
Kontrolle der Lastaufnahmemittel auf offensichtliche Mängel; Mitwirkung bei Warmlauf- und Bremsproben.
Führen von Betriebs- und Störungseinträgen im Kranbuch.
Kompetenzen
Nachgewiesene Befähigung (z. B. Schulungsnachweis gemäß einschlägigem DGUV-Grundsatz), betriebliche Unterweisung und Einweisung am spezifischen Kran.
Kenntnisse zu Traglastdiagrammen, Wind- und Umwelteinflüssen, Boden-/Tragfähigkeiten, Einsatzgrenzen.
Arbeitsmedizinische Eignung (z. B. G 25) und nachgewiesene Funk-/Signal-Kompetenz.
Anschläger/in
Definition: Person, die Lasten anschlägt, Lastaufnahmemittel auswählt und die Last transportgerecht sichert.
Kernaufgaben: Auswahl geeigneter Anschlagmittel (WLL, Zustand, Kanten- und Temperaturbeständigkeit); Ermittlung des Schwerpunkts.
Sicherung gegen Pendeln/Rotieren (z. B. Taglines); Freimachen der Schwenk- und Absetzbereiche.
Visuelle Endkontrolle des Anschlags vor dem Anheben; Abbau des Anschlags nach Sicherabstellung.
Kompetenzen
Schulung als Anschläger; Kenntnis von Lastart, Anschlagwinkel, Hebezeugtechnik und Zeichen/Signalen.
Einweiser/Banksman
Definition: Person, die die Bewegungen der Last koordiniert, Signale gibt und die Gefahrenzone überwacht.
Kernaufgaben: Leitung der Hubkommunikation; Sicherstellung, dass nur eine signalgebende Person aktiv ist.
Einrichtung und Überwachung von Sperr-/Sicherheitszonen; Koordination von Blind- oder Tandem-Hüben.
Prüfung der Umgebungsbedingungen (SIMOPS, Verkehrswege, Personenverkehr).
Kompetenzen
Vertraut mit standardisierten Handzeichen/Funkschemata, räumlicher Wahrnehmung und Risikoabschätzung.
Befähigte Person
Definition: Fachkundig qualifizierte und vom Betreiber beauftragte Person zur Prüfung von Arbeitsmitteln gemäß Betriebssicherheitsverordnung und Technischen Regeln (z. B. TRBS 1203).
Kernaufgaben: Wiederkehrende, anlassbezogene und ggf. erweiterte Prüfungen an Kranen, Lastaufnahmemitteln und Anschlagmitteln.
Festlegung von Prüfumfang, Prüfintervallen und Mängelklassifikation; Erstellung von Prüfberichten.
Bewertung von Schäden und Freigabe/Stilllegung von Arbeitsmitteln.
Kompetenzen
Nachgewiesene Fachkunde, Erfahrung, Kenntnis des Standes der Technik und der Herstellerunterlagen; Unabhängigkeit in der Bewertung.
Aufsichtführende/appointed person
Definition: Verantwortliche Person für Planung, Koordination und Freigabe von Hebearbeiten.
Kernaufgaben: Gefährdungsbeurteilung, Hubplan/Method Statement, Auswahl des geeigneten Krans/Equipment und Personaldisposition.
Hubfreigabe (Permit-to-Lift), Koordination beteiligter Gewerke/Externe, Einweisung/Toolbox Talk.
Überwachung der Rahmenbedingungen (z. B. Wetter, Boden, Verkehr), Änderungsmanagement bei Abweichungen
Kompetenzen
Vertiefte Kenntnisse zu Hebetechnik, Lasten, Bodenkennwerten, Umgebungseinflüssen, Rechtsrahmen und Kommunikation.
Betreiber/Arbeitsmittelverantwortliche
Definition: Rechtsträger/Organisationseinheit, die die Arbeitsmittel bereitstellt, betreibt und die Verantwortung für den sicheren Betrieb trägt.
Kernaufgaben: Aufbau des Managementsystems (Rollen, Verfahren, Dokumentation), Ressourcenstellung und Budget; Auswahl/Beauftragung von Dienstleistern.
Sicherstellung von Prüfungen, Instandhaltung (nach DIN 31051-Grundsätzen), Kalibrierungen und Ersatzteilversorgung.
Berechtigungsmanagement (Auswahl, Qualifikation, Unterweisung), Führung von Kranbüchern/Prüfbüchern.
Monitoring von Vorfällen, rechtssichere Meldungen und kontinuierliche Verbesserung.
Abgrenzung und Schnittstellen
Einheit der Führung: Operativ steuert der Einweiser die Lastbewegung; der Kranführer folgt ausschließlich dessen Signalen. Ausnahmen bedingen einen definierten Kommunikationswechsel (z. B. bei Notfällen).
Doppeltes Vier-Augen-Prinzip: Anschläger und Einweiser prüfen den Anschlag und den Gefahrenbereich; Kranführer bestätigt die Betriebsklarheit des Krans.
Primat der Sicherheit: Jede Rolle hat das Recht und die Pflicht, Arbeiten zu stoppen. Die Aufsichtführenden bewerten und entscheiden über Fortsetzung oder Plananpassung.
Unverrückbare Verantwortungen: Der Betreiber bleibt für sichere Organisation und Mittel verantwortlich; die befähigte Person für die Prüfbeurteilung; die Aufsichtführenden für die Freigabeorganisation; die operativen Rollen für die sichere Durchführung im Rahmen der Freigabe.
Informationsflüsse: Mängelmeldungen laufen von Kranführer/Anschläger/Einweiser an Aufsichtführende und Betreiber; Prüffeststellungen der befähigten Person gehen an Betreiber und Aufsichtführende; Änderungen im Arbeitsraum (SIMOPS) werden durch Aufsichtführende koordiniert.
Externe Dienstleister: Bei Fremdkraneinsätzen verbleiben Betreiberpflichten hinsichtlich Organisation, Freigabe und Schnittstellensteuerung intern; die technische Zuständigkeit für das Gerät liegt beim Dienstleister, Prüf- und Eignungsnachweise werden vor Hubfreigabe verifiziert.
Qualifikation und Befähigungspfade
Grundqualifikation: Kranführer: Theoretische und praktische Ausbildung, betriebliche Einweisung; Nachweis spezifischer Kranarten; regelmäßige Auffrischungen.
Anschläger/Einweiser: Schulungen zu Anschlagmitteln, Lasten, Winkeln, Handzeichen/Funkprotokollen; Übung in Szenarien (Blind Hub, Engstelle).
Befähigte Person: Fachkunde nach TRBS 1203; dokumentierte Erfahrung; Aktualisierung des Wissensstandes.
Aufsichtführende: Vertiefte Hebeplanungskompetenz, Risikobeurteilung, Boden-/Tragfähigkeitsbewertung, SIMOPS-Management.
Medizinische Eignung
Eignungsuntersuchungen je nach Tätigkeit (z. B. G 25); Sicht- und Hörvermögen für Signal- und Funkkommunikation.
Legende: R = Responsible (ausführungsverantwortlich), A = Accountable (gesamtverantwortlich), C = Consulted (konsultiert), I = Informed (informiert)
| Prozess | Betreiber/Arbeitsmittelverantwortliche | Aufsichtführende/appointed person | Befähigte Person | Kranführer | Anschläger | Einweiser/Banksman |
|---|---|---|---|---|---|---|
| Hubfreigabe (Permit-to-Lift) | A | R | C | C | C | C |
| Prüfungen (wiederkehrend/anlass) | A | I | R | C | I | I |
| Instandhaltung | A/R | C | C | C | I | I |
| Dokumentation/Nachweise | A/R | C | C | I | I | I |
| Berechtigungsmanagement | A/R | C | I | I | I | I |
| Vorfallmanagement | A | R | C | C | C | C |
Erläuterungen:
Hubfreigabe: Die Aufsichtführenden sind verantwortlich für Risikoanalyse, Hubplan, Koordination und Freigabe. Der Betreiber trägt die Gesamtverantwortung und stellt Ressourcen/Regelwerk. Operative Rollen und die befähigte Person werden konsultiert.
Prüfungen: Die befähigte Person führt aus und entscheidet über die Betriebssicherheit. Der Betreiber verantwortet Fristenüberwachung und Maßnahmenableitung.
Instandhaltung: Der Betreiber plant, beauftragt und überwacht; befähigte Person und Kranführer geben fachliche Inputs (Feststellungen, Meldungen).
Dokumentation: Betreiber ist Dokumentenhalter; Aufsichtführende und befähigte Person liefern Inhalte (Hubpläne, Prüfberichte).
Berechtigungsmanagement: Betreiber vergibt/entzieht Befugnisse; Aufsichtführende wirken bei Eignungsbeurteilung und Einsatzplanung mit.
Vorfallmanagement: Aufsichtführende leiten die Untersuchung; Betreiber sichert Rechtskonformität, Berichterstattung und Wirksamkeitskontrolle der Maßnahmen.
Governance, Kommunikation und Betriebspraxis
Kommunikationsprinzipien: One-Voice-Regel: Nur der benannte Einweiser gibt Signale an den Kranführer. Funkkanäle sind exklusiv belegt; Testcall vor Hubbeginn.
Standardisierte Signale: Verbindliche Handzeichen/Funkkommandos; Rückmeldung (closed loop) bei komplexen Manövern.
Arbeitsfreigabe
Gültigkeit an Bedingungen geknüpft (Wetter, Boden, Sicht); Änderungen erfordern erneute Bewertung durch Aufsichtführende.
Toolbox Talk mit allen Rollen; Klärung von Fluchtwegen, Lastwegen, Sperrzonen und Notfallprozeduren.
Zonen- und Kollisionsschutz
Physische Absperrung, Sicherung von Lastwegen; Berücksichtigung von Überkopf-Arbeiten und Nachbargewerken (SIMOPS).
Bei Blindhüben werden zusätzliche Einweiser/Spots oder technische Hilfsmittel (Kameras, Lastwegüberwachung) eingesetzt.
Technische Integrität
Vor-Ort-Checks der Anschlagmittel (Kennzeichnung, WLL, Zustand), Krane (Bremsen, Hakenverriegelung, Endschalter) und Hilfsmittel.
Mängelmanagement mit eindeutiger Sperrkennzeichnung; Freigabe erst nach qualifizierter Behebung und ggf. Nachprüfung.
Notfall- und Abbruchkriterien
Klare Trigger (Wind > Grenzwert, Sichtverlust, Personen im Sperrbereich, ungeplantes Pendeln/Rotation, Geräusch-/Vibrationsauffälligkeiten).
Schnittstellen im Lebenszyklus: von Planung bis Betrieb
Planung: Aufsichtführende erstellen Hubplan inkl. Lastdaten, Rigging-Konzept, Tragfähigkeitsnachweis für Untergrund, Geräteselektion und Personalbedarf.
Betreiber bestätigt Ressourcen, Termine, Dienstleister; befähigte Person prüft Sonderlastaufnahmemittel.
Vorbereitung
Bereitstellung geprüfter Anschlagmittel, Werkzeuge, Kommunikationsmittel; Zonierung und Beschilderung.
Vorfallmanagement und Lernen
Meldekultur: Niedrigschwellige Meldung von Beinaheereignissen; Schutz vor Schuldzuweisungen; Fokus auf Systemursachen.
Untersuchung: Aufsichtführende führen; befähigte Person liefert technische Analysen; Betreiber sichert Umsetzung und Wirksamkeitskontrolle von Maßnahmen.
Eskalation: Meldepflichtige Ereignisse werden fristgerecht an interne Gremien und externe Stellen adressiert; Dokumentation revisionssicher.
Wissensrückfluss: Aktualisierung von Hubplänen, Checklisten, Schulungsinhalten und Berechtigungen nach Vorfällen; gezielte Nachschulung Betroffener.
Kompetenzen und Qualifizierungspfad
Wir beschreiben ein systematisches, revisionssicheres Kompetenz- und Qualifizierungsmodell für sicherheitsrelevante technische Tätigkeiten. Es adressiert die Anforderungen an Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen je Rolle, die medizinische Eignung einschließlich G25 und G41, die Erstqualifizierung mit Theorie, Praxis und Prüfungen, die Anerkennung externer Qualifikationen, die Rezertifizierung sowie das Autorisierungs- und Betriebsberechtigungsmanagement einschließlich digitaler Freigabe- und Sperrmechanismen.
Rollen im Betrieb
Systemoperator/Bediener Bedienung, Überwachung und Intervention an Anlagen, mobilen Arbeitsmitteln oder ferngesteuerten/autonomen Systemen.
Einsatzleiter/Disponent
Planung, Freigabe und übergeordnete Steuerung von Einsätzen, Ressourcen- und Risikomanagement, Koordination mit Leitstelle.
Instandhaltungstechniker
Diagnose, Wartung, Kalibrierung und Reparatur; Freischalten und Sicherungsmaßnahmen (z. B. LOTO), Funktionsprüfungen.
Sicherheits- und Compliance-Verantwortliche (SiFa/HSSE)
Gefährdungsbeurteilungen, Unterweisungen, Audits, Notfallvorsorge, regulatorische Konformität.
Datenanalyst/Qualitätsverantwortliche
Auswertung von Betriebs- und Qualitätsdaten, Trendanalysen, Rückführung von Erkenntnissen in Schulungs- und Betriebsstandards.
Wissens-, Fähigkeits- und Erfahrungskriterien
Systemoperator/Bediener Wissen: Aufbau und Grenzen des Systems, Betriebsanweisungen, Störfall- und Notfallprozeduren, grundlegende Elektrotechnik/Mechanik, Signale/Kommunikation, relevante Normen (z. B. DGUV-Regeln), Grundlagen der Risikobeurteilung und Permit-to-Work.
Fähigkeiten: Gerätesichere Bedienung, situatives Risikomanagement (Stop-Work-Authority), Funk- und Teamkommunikation, Checklisten diszipliniert anwenden, Störungsanalyse nach Standardverfahren.
Erfahrung: Mindestanzahl dokumentierter Einsätze unter Supervision, Nachweis von Routine in Normal- und Abweichungslagen, sichere Anwendung von PSA.
Einsatzleiter/Disponent
Wissen: Einsatzplanung, Ressourcen- und Schichtmanagement, Arbeitsrecht/Arbeitszeit, Eskalations- und Notfallmanagement, Schnittstellen zu Behörden/Leitstellen.
Fähigkeiten: Entscheidungsfindung unter Unsicherheit, Priorisierung, Deeskalation, Koordination multidisziplinärer Teams.
Erfahrung: Leitungsfunktion in realen Einsätzen, Nachweis erfolgreich gemanagter Störungen/Abbrüche, Audit- und Reviewkompetenz.
Instandhaltungstechniker
Wissen: Systeme/Komponenten, Diagnosemethoden, LOTO, Prüf- und Kalibrierverfahren, Dokumentationspflichten, Fremdspannungen/Energieformen.
Fähigkeiten: Fehlersuche, sichere Trennung/Nullspannung, Arbeiten in Höhen/engen Räumen nach Freigabe, Qualitätssicherung.
Erfahrung: Reparaturen und präventive Wartungen mit Abnahmeprotokollen, wiederholte sichere Anwendung von Spezialwerkzeugen und Prüfmitteln.
Sicherheits- und Compliance-Verantwortliche
Wissen: Gefährdungsbeurteilungs-Methoden (z. B. HAZOP, JSA), Recht/DGUV, Notfall- und Rettungskonzepte, Auditmethodik.
Fähigkeiten: Moderation, Schulung, Unfallanalyse, Ableitung von CAPA-Maßnahmen.
Erfahrung: Durchgeführte Audits/Begehungen, implementierte Verbesserungsmaßnahmen und Wirksamkeitskontrolle.
Datenanalyst/Qualitätsverantwortliche
Wissen: Messdatenerfassung, Datenqualität, statistische Methoden, Prozessfähigkeitskennzahlen, Rückverfolgbarkeit.
Fähigkeiten: Dashboards, Trend- und Ursachenanalysen, Ableitung von Trainingsbedarfen.
Erfahrung: Monats-/Quartalsreviews, Lessons-Learned-Zyklen.
Fähigkeiten: Kompetenzen valide prüfen, Feedback geben, OJT beurteilen.
Erfahrung: Abgenommene Prüfungen/OJT-Assessments, Betreuung von Trainees kohärent zum Standard.
Kompetenzstufen und Skill-Matrix
Stufe A (Einsteiger/Trainee): Theorie absolviert, Praxis nur unter direkter Anleitung; keine Alleinarbeit; Logbuchpflicht.
Stufe B (Praktiker): freigegeben für Routineaufgaben unter indirekter Aufsicht; definierte Aufgabenliste; begrenzte Störungsintervention.
Stufe C (Fortgeschritten): Alleinarbeit in Normal- und vorhersagbaren Abweichungslagen; Teilnahme an Rufbereitschaft; Mentor für Stufe A/B.
Stufe D (Experte/Einsatzleiter/Prüfer): Freigabe für komplexe Lagen, Ausbildung/Prüfung, Verfahrenserstellung, Auditleitung.
G25 und G41
G25 (Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten) Erforderlich für Tätigkeiten mit sicherheitskritischem Führen/Steuern von Fahrzeugen, Flurförderzeugen, Kränen, ferngesteuerten Systemen oder Anlagenüberwachung.
Inhalte: Anamnese, Seh-/Hörvermögen, Reaktions- und Belastungsfähigkeit, ggf. Labor/EEG nach Indikation.
G41 (Arbeiten mit Absturzgefahr)
Erforderlich für Arbeiten mit Absturzhöhe oder vergleichbarer Gefährdung (z. B. Plattformen, Leitern, Gerüste, Dächer, Masten).
Ergänzend nach Tätigkeit können weitere Eignungen erforderlich sein (z. B. Atemschutz G26, Eignung für enge Räume, Farbsinnprüfung). Die konkrete Zuordnung erfolgt über die Gefährdungsbeurteilung.
Untersuchungsintervalle und Sonderfälle
G25: in der Regel Erstuntersuchung vor Tätigkeitsaufnahme, Wiederholungsuntersuchung alle 36 Monate; bei erhöhter Beanspruchung, sicherheitskritischen Funktionen oder ab 50 Jahren ggf. 24 Monate.
G41: abhängig von Belastung und Alter typischerweise 12–36 Monate; bei intensiver Höhenexposition oder Vorerkrankungen kürzer.
Anlassbezogen: nach Unfall/Beinahe-Unfall, längerer Abwesenheit (> 6 Monate), Medikamentenänderung, Schwangerschaft, neue Gefährdungen im Prozess.
Die Intervalle werden betriebsärztlich festgelegt und im Kompetenzmanagementsystem hinterlegt; sie sind Freigabevoraussetzung.
Dokumentation und Datenschutz
Nachweis: Bescheinigung des Betriebsarztes (geeignet/geeignet mit Auflagen/nicht geeignet), Gültigkeitsdatum, ggf. Auflagen (z. B. Sehhilfe).
Speicherung: in der Personalakte und im digitalen Berechtigungsmanagement nur das Eignungsergebnis und die Gültigkeit (Privacy by Design), keine Diagnosen.
Zugriff: rollenbasiert, Need-to-know; Audit-Log für Einsichtnahmen; Einhaltung DSGVO.
Theoretische Ausbildung- Pflichtcurriculum je Rolle, mindestens:
Recht und Normen: Arbeitsschutz, DGUV-Grundsätze, Betriebsanweisungen, Permit-to-Work.
Technik: Systemarchitektur, Funktionsweise, Schnittstellen, Energieformen und Restenergien.
Sicherheit: Gefährdungen, PSA, LOTO, Brand- und Explosionsschutz, Notfall- und Rettungskonzepte.
Betrieb: Standard Operating Procedures, Checklisten, Abweichungsmanagement, Kommunikation/Funkdisziplin.
Menschliche Faktoren: Situationsbewusstsein, Entscheidungsfindung, Ermüdungsmanagement, Fehlerkultur.
Qualität und Daten: Dokumentation, Rückverfolgbarkeit, Datenschutz, Datenqualität.
Die Theorie umfasst je nach Rolle 12–40 Unterrichtseinheiten mit Lernerfolgskontrollen (Quiz, Fallstudien).
Praktische Ausbildung und Mindestpraxis
Skills-Training: Geräteeinweisung, sichere Handhabung, Fehlersimulationen, Anwendung von Checklisten, Rettungsübungen (z. B. PSAgA-Rettung).
Begleitete Einsätze: dokumentierte On-the-Job-Einsätze unter Mentorenschaft, typischer Richtwert
Systemoperator: mindestens 20 Einsätze mit vollständigem Logbuch.
Instandhaltung: mindestens 10 präventive Wartungen und 5 Störungsbehebungen.
Einsatzleitung: mindestens 5 Planungen und 3 Echtfallkoordinierungen.
Notfallszenarien
mindestens zwei realitätsnahe Übungen (z. B. Evakuierung, Ausfall kritischer Komponenten) pro Trainee.
Theoretische und praktische Prüfungen
Theorieprüfung Struktur: Multiple-Choice und offene Fragen, Fallbeispiele, Mindestbestehensquote 80 % je Themenblock.
Wiederholung: maximal zwei Nachprüfungen; danach Remediation-Programm.
Inhalte: Vorbereitung/Briefing, Durchführung eines Standard- und eines Abweichungsszenarios, sichere Beendigung, Dokumentation.
K.O.-Kriterien: Verletzung lebenswichtiger Regeln (z. B. LOTO), Missachtung Stop-Work, grobe Kommunikationsfehler.
On-the-Job-Beurteilung (OJT)
Bewertet reale Arbeitsleistung über mindestens drei Schichten/Einsätze.
Elemente: Arbeitsqualität, Taktische Entscheidungen, Teamverhalten, Einhaltung von SOPs, Umgang mit Stress.
Ergebnis: Empfehlung zur Freigabe mit/ohne Auflagen oder weiterer Trainingsbedarf.
Anerkennung externer Qualifikationen und Brückenkurse
Recognition of Prior Learning (RPL) Dokumentenprüfung: Zertifikate, Logbücher, Zeugnissen; Vergleich mit interner Skill-Matrix.
Kompetenzinterview und, wenn erforderlich, diagnostischer Praxistest.
Zyklen und Inhalte
Gültigkeit der Betriebsberechtigung: in der Regel 24 Monate für Bediener und Instandhaltung, 12 Monate für Einsatzleiter/Prüfer in sicherheitskritischen Bereichen; abweichend je Risikoprofil.
Bestandteile der Rezertifizierung Theorie-Update: Änderungen in Normen, Verfahren, Lessons Learned.
Praxis-Check: jährlicher oder zweijährlicher Checkride mit Abweichungsszenarien.
Notfall-Refresher: mindestens jährlich (z. B. PSAgA-Rettung, Erste Hilfe).
Medizinische Eignung: gültige G25/G41 nachweisen.
Performance-Review: Beurteilung anhand KPIs (Fehlerquoten, Interventionen, Auditbefunde).
Trigger für vorgezogene Auffrischung
Beinaheunfall/Unfall, längere Pause (> 6 Monate), Einführung neuer Technologien/Prozesse, Auffälligkeiten im Monitoring.
Digitales Berechtigungsmanagement
Rollenbasierte Autorisierung (RBAC) Zuweisung von Rechten je Rolle und Kompetenzstufe, gekoppelt an Nachweise (Prüfungen, Eignung, Rezertifizierung).
Digitale Betriebsberechtigung
Ausstellung als personalisiertes, fälschungssicheres Zertifikat mit QR-Code/NFC, maschinenlesbar.
Enthält: Identität, Rolle, Kompetenzstufe, Gültigkeiten (Prüfung, G25/G41), Auflagen, Gültigkeitsbereich (Standorte/Anlagen).
Freigabeprozesse
Pre-Job-Freigabe (Permit-to-Work) Checkliste: Kompetenz/Gültigkeiten, Gefährdungsbeurteilung, LOTO/Isolierungen, Wetter/Umgebung, PSA, Rettungskonzept, Kommunikationsmittel.
4-Augen-Prinzip bei risikoreichen Tätigkeiten: bei sehr hohem Risiko 6-Augen (Einsatzleiter/SiFa).
Sperrmechanismen und Eskalation
Automatische Sperre Ablauf von G25/G41, Rezertifizierungsfrist überschritten, fehlgeschlagene Prüfungen, offene CAPA nach sicherheitskritischem Ereignis.
Manuelle Sperre
Durch Vorgesetzte/SiFa bei Verdacht auf Beeinträchtigung (z. B. Substanzkonsum, Ermüdung, psychische Belastung); dokumentierte Begründung, temporäre Dauer bis Klärung.
Audit, Reporting und Governance
Regelmäßige Systemaudits Überprüfung von Vollständigkeit und Aktualität der Qualifikations- und Eignungsnachweise, Stichproben im Feld.
Kennzahlen
Compliance-Quote, Prüfungsbestehensraten, Fehlerraten in Checkrides, Sperrgründe, Dauer bis CAPA-Abschluss.
Zusammenführung im Qualifizierungspfad
Eintrittsvoraussetzungen Mindestalter, Schulabschluss je nach Rolle, Sprachkompetenz, gültige medizinische Eignung (G25/G41), Sicherheitsunterweisung.
Pfadstruktur
Theorie → Praxis/OJT → Theorie-/Praxisprüfung → befristete Betriebsberechtigung (Stufe B/C) → Rezertifizierungszyklus.
Richtung D über zusätzliche Qualifikationen (Didaktik, Auditkompetenz) und Nachweis stabiler Performance.
Externe und interne Mobilität
RPL und Brückenkurse ermöglichen effizienten Kompetenztransfer, ohne Sicherheitsstandards zu kompromittieren.
Dieses Qualifizierungs- und Berechtigungssystem stellt sicher, dass Personen nur dann betriebliche Verantwortung übernehmen, wenn ihre Kompetenzen aktuell, medizinisch geeignet und kontextgerecht freigegeben sind. Die Kombination aus standardisierten Curricula, evidenzbasierter Prüfung, digitalem Berechtigungsmanagement und robusten Freigabe-/Sperrmechanismen schafft ein hohes Maß an Sicherheit, Compliance und betrieblicher Effizienz.
